Breitbandausbau in Baden-Württemberg – Situationsanalyse im Februar 2017

 

 

 

 

Laut einer Statistik der OECD schreitet der Breitbandausbau in Deutschland nach wie vor schleppend voran. So lag der prozentuale Zuwachs im Zeitraum von Mitte 2015 bis Mitte 2016 gerade einmal bei 2,98 % und damit deutlich unter dem Zuwachs anderer Staaten (vgl. Abbildung).

 

Breitbandausbau Baden Württemberg Grafik 1

 

Vor diesem Hintergrund wurde bundesweit ein Förderprogramm aufgelegt, damit bis 2018 flächendeckend Internet mit einer Übertragungsrate von mindestens 50 Mbit/s zur Verfügung steht.

 

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern bietet Baden-Württemberg den Kommunen mit dem Betreibermodell die Option, Eigentümer der Breitbandinfrastruktur zu werden. Hierzu fördert das Land explizit den Eigenbau durch die Kommunen, während das Pachten der Breitbandinfrastruktur mit einem geringeren Betrag gefördert wird. Der Betrieb der Infrastruktur soll hingegen durch einen gesondert auszuschreibenden Dienstleister erfolgen. Um die Kommunen beim Breitbandausbau zu unterstützen, werden zusätzlich gemeindeübergreifend gegründete Zweckverbände gefördert. Damit ermöglicht Baden- Württemberg, das bundesweit geltende Deckungslückenmodell mit seinen iterativen Bearbeitungszyklen zu vermeiden.

 

Trotz dieses enormen Förderpotentials verfügen bislang nur 72,8 % der Haushalte in Baden-Württemberg über schnelles Internet und liegt damit weit hinter den Werten wirtschaftlich deutlich schwächerer Bundesländer, wie bspw. Nordrhein-Westfalen oder Berlin, zurück (Quelle: BMVI-Portal 2016).

 

Vor diesem Hintergrund wurde im Februar dieses Jahres eine zweistellige Anzahl Breitbandverantwortlicher aus unterschiedlichen Kommunen innerhalb Baden-Württembergs angesprochen, um an einer empirischen Untersuchung teilzunehmen.

 

Interviewergebnisse

 

Die Auswertung der empirischen Untersuchung ergab, dass aktuell nur ein Drittel der Befragten einen kurzfristigen, flächendeckenden FTTB-Ausbau (Fibre To The Building) anstrebt, obwohl dies sowohl auf Seiten der Förderung als auch mit Blick auf die zukünftigen Erlöse den größten wirtschaftlichen Nutzen für die Kommunen erzielen würde.

 

Die Hälfte der Befragten hat sich zwar in Zweckverbänden organisiert – diese übernehmen jedoch vielfach nicht den ortsinternen Ausbau des Breitbandnetzes, sondern versorgen nur bis zum PoP (Point of Presence).

 

Alle Befragten beklagen die Akquisition geeigneter Mitarbeiter für den Breitbandausbau. Ein Drittel der Befragten umgeht dieses Thema, indem sie auf Fremddienstleister zurückgreifen. Im Bereich Planung gaben alle Befragten an, Planungsbüros zu nutzen. Gründe hierfür sind aussagegemäß insbesondere die Förderbedingungen, die eine Förderung der Planung von bis zu 90% erlauben. Gleiches gilt für den Einsatz von Beratern, der ebenfalls intensiv gefördert wird.

 

Breitbandausbau Baden Württemberg Grafik 2

 

Auch wenn die Förderung grundsätzlich als positiv angesehen wird, verwies ca. ein Drittel der Befragten darauf, dass die Erschließung volkswirtschaftlich aktuell nicht sinnvoll erfolgt. Wesentliche Argumente hierfür waren, dass die Mehrfacherschließung identischer Gebiete mit unterschiedlichen Technologien (Breitband, Vectoring, Kabelanschlüsse und LTE) dazu führt, dass in lukrativen Gebieten ein großer Wettbewerb um die Endkunden erfolgt. In dem Wettbewerb um die lukrativsten Gebiete unterliegt der FTTB-Breitbandanschluss regelmäßig. Auch in Gewerbegebieten scheidet der FTTBAnschluss vielfach aufgrund des Baukostenzuschusses in Höhe von ca. 2.000 Euro aus. Für kleine Mittelstandsbetriebe werden hier max. 600 Euro als realistisch angesehen. Der Breitbandausbau erfolgt in diesen Gebieten folglich primär als FTTC-Anschluss (Fiber to the Curb), womit die Breitbandinfrastruktur de facto nicht genutzt wird. In strukturschwachen Regionen hingegen steigen die Erschließungskosten überproportional, wofür die Fördersätze nicht ausreichen. Vor diesem Hintergrund sollte aus Sicht der Befragten im Rahmen des Markterkundungsverfahrens eine Technologie festgeschrieben und der Wettbewerb für den Zeitraum des Ausbaus ausgeschlossen werden.

 

Handlungsoptionen für die Kommunen

 

Auf Basis der Befragungsergebnisse ergeben sich für die Kommunen, die sich zum Eigenausbau entschlossen haben, zwei strategische Handlungsoptionen.

 

Handlungsoption A: Eigenständige Durchführung

 

Die erste strategische Option beinhaltet den Aufbau einer eigenen Organisation zur Steuerung der Planung und Errichtung des Breitbandnetzes. Hierzu sind schnellstmöglich geeignete Fachleute einzustellen. Die Umfrage hat gezeigt, dass für einen leistungsfähigen Zweckverband bis zu 20 Mitarbeiter benötigt werden, was etwa einem Mitarbeiter pro im Zweckverband beteiligter Kommune entspricht.

 

Da der Breitbandausbau einen Einmalaufwand darstellt und für die anschließende Steuerung des Betreibers nur wenige Mitarbeiter benötigt werden, können auch qualifizierte Mitarbeiter nur befristet und zu Konditionen des öffentlichen Dienstes eingestellt werden. Dies wurde durchweg als „herausfordernd“ bezeichnet und hat zur Folge, dass viele Zweckverbände Steuerungsdefizite beklagten, die Verzögerungen und Nachträge seitens der Dienstleistungsunternehmen nach sich ziehen.

 

Doch selbst wenn die Einstellung von Mitarbeitern erfolgreich war, entstehen weitere Herausforderungen dadurch, dass für den Breitbandausbau kurzfristig eine Organisation mit funktionsfähigen Prozessen aufgebaut und gesteuert werden muss. Nach Aussagen der Befragten entstehen hierbei immer wieder Probleme, weil die Förderungsbeantragung und -vergabe weder auf Seiten des Zweckverbands noch auf Seiten der Förderstellen hinreichend etabliert und stabil ist. Dies gilt aussagegemäß insbesondere für die Informationsbereitstellung, das Materialkonzept und die Dokumentationspflichten zum Baufortschritt.

 

Im Rahmen der Bauphase ist eine große Anzahl an Beteiligten zu koordinieren, sodass bei dem überwiegenden Anteil der Befragten neben der Planungsleistung auch die Baukoordination fremd vergeben wird. In diesem Zusammenhang geben die Befragten an, dass sowohl für die Planung als auch für den Bau und die Bauüberwachung der Dienstleistermarkt sehr angespannt ist und es schwierig sei, geeignete Dienstleister zu identifizieren und zu verpflichten.

 

Gründe für den hohen Koordinationsaufwand sind u. a. die Prüfung und Koordination von Mitverlegungsmöglichkeiten, zeitliche Verschiebungen sowie kurzfristige Planänderungen aufgrund wechselnder Prioritäten der Gemeinden bzgl. des Anschlusses von Gewerbegebieten und öffentlichen Einrichtungen. Dienstleister nutzen diese Gelegenheit dann, um Nachträge geltend zu machen.

 

Zusätzlich treten insbesondere in den Bereichen Abrechnung und Gewährleistung weitere Schwierigkeiten auf, sodass Abrechnungen nicht durch die Bauüberwachung, sondern zusätzlich auch durch eigene Mitarbeiter überprüft werden müssen. Im Rahmen von Gewährleistungsfragen wurde angeführt, dass regelmäßig aufwendige und langwierige Klärungen erforderlich sind, wenn Einzelgewerke und -strecken zu einem Gesamtnetz zusammengeschaltet werden. Spätestens an dieser Stelle zeigt sich, dass der Breitbandausbau ein technisches und kein Tiefbauprojekt ist, obwohl letzteres ca. 80% der Gesamtkosten ausmacht.

 

Handlungsoption B: Einsatz eines Generalunternehmers

 

Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Risiken ermöglicht der Einsatz eines Generalunternehmers eine deutliche Reduktion der Komplexität. Dies resultiert daraus, dass die Zweckverbände bzw. Kommunen auf einen Dienstleister zurückgreifen können, der die gesamte Planung und Errichtung des Ausbaugebiets koordiniert. Die Zweckverbände bzw. Kommunen erhalten einen verbindlichen Fahrplan, auf den sie sich vor dem Hintergrund verbindlich vereinbarter FTTB-Erschließungsquoten sowohl kosten- als auch erlösseitig einstellen können.

 

Gleichzeitig werden Qualität und Geschwindigkeit bei der Beantragung und Abwicklung des Breitbandausbaus dadurch erhöht, dass die Mitarbeiter die erforderlichen Aktivitäten nicht erst erlernen müssen, sondern diese bereits seit längerer Zeit mit hoher Kontinuität ausüben.

 

Weitere Kosteneinsparpotentiale ergeben sich aus der konsequenten Prüfung von Mitverlegungsmöglichkeiten und der systematischen Koordination der Maßnahmen mit den Beteiligten. Genau hierauf zielt auch das DigiNetz-Gesetz ab, das im November 2016 in Kraft getreten ist. Laut Aussage der Befragten bieten sich hier insbesondere die Medien Strom und Nahwärme an, während bei Gas und Wasser vielfach die Notwendigkeit von Stufengräben und Bauvorschriften potentielle Synergien wieder vernichten.

 

Die Größe des Generalunternehmens erlaubt weitere positive Kosteneffekte aufgrund stärkerer Arbeitsteilung, Spezialisierung und Automatisierung sowie Mengendegressionseffekten bei der Planung, der Materialbeschaffung, Lagerung, Logistik und Beauftragung von Drittdienstleistern zur Baudurchführung.

 

Die Vor- und Nachteile der beiden Varianten sind in folgender Abbildung nochmals graphisch dargestellt.

 

Breitbandausbau Baden Württemberg Grafik 3 

 

Vergabeprozess

 

Die Auswahl eines Generalunternehmers muss im Rahmen des Vergaberechts rechtssicher erfolgen. Hierzu wird ein detaillierter, mehrstufiger Ausschreibungsprozess empfohlen, über den die entsprechenden Bewerber strukturiert bewertet und ausgewählt werden können.

 

Im ersten Schritt des Ausschreibungsverfahrens ist zu klären, ob nur das Backbone bis zum PoP oder auch die Ortsnetze vollständig oder in Losen ausgeschrieben werden sollen. Hierauf aufbauend ist zu definieren, ob die Anbindung von Gewerbe, öffentlichen Liegenschaften oder Mindesterschließungsquoten für die FTTB-Erschließung bei den Hauseigentümern mit ausgeschrieben werden soll. Darüber hinaus ist vorab festzulegen, ob die Infrastruktur im Namen der Kommune oder eigenständig gebaut und anschließend an die Kommune verpachtet werden soll. Um langfristig flexibel auf Förderbedingungen reagieren zu können, kann auch eine Wechseloption zwischen dem Bauund Pachtmodell interessant sein.

 

Hierauf aufbauend, müssen geeignete Kandidaten für die Ausschreibung identifiziert werden. Da es angesichts der Komplexität im Breitbandausbau schwierig ist, eindeutige, objektive Kriterien zu definieren, muss der potentielle Anbieterkreis in einer Vorphase über entsprechende Eignungskriterien eingegrenzt werden. Neben dem Nachweis einschlägiger Referenzprojekte sollte die Qualität der Anbieter, bspw. über die Qualifikation der Mitarbeiter sowie über Zertifizierungen im Umweltschutz bzw. in der Arbeitssicherheit, evaluiert werden.

 

Laut Aussagen der Befragten bieten häufig Anbieter an, die preislich sehr weit unter den Vergleichsangeboten liegen. Diese Dienstleister können die angefragte Leistung nur durch niedrigere Qualität oder über Nachträge erbringen, um kostendeckend arbeiten zu können. Dies ist jedoch nicht im Interesse der Kommunen, da hierdurch die Planungssicherheit erheblich sinkt. Gute Erfahrungen wurden hingegen mit Energieversorgern gesammelt, von denen es in Baden-Württemberg eine dreistellige Anzahl gibt. Vorteile resultieren hier insbesondere aus der kommunalen Nähe, den bestehenden Erfahrungen bei der Steuerung von Planungsbüros und Baufirmen sowie der Option, die Mitverlegung von Breitband bei den ohnehin geplanten Baumaßnahmen direkt mit einzuplanen. Optional können auch Arbeitsgemeinschaften gebildet werden, die Lose des Breitbandausbaus übernehmen.

 

Im nächsten Schritt werden die qualifizierten Anbieter auf Basis einer detaillierten Leistungsbeschreibung zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Dieser Leistungsbeschreibung liegt ein mehrstufiger Bewertungskatalog zugrunde. Auf Basis dieses Bewertungskatalogs lassen sich die Anbieter neben wirtschaftlichen Kriterien auch auf Basis zeitlicher Vorgaben, Gewährleistungsaspekten sowie der Leistungsfähigkeit des Anbieters qualifiziert bewerten.

 

Resümee

 

Angesichts des aktuellen Ausbaugrads in Baden-Württemberg und der Ergebnisse der Interviews stehen die Kommunen und Zweckverbände aktuell vor der großen Herausforderung, den Breitbandausbau bis Ende 2018 effizient voran zu treiben. Die Komplexität der Thematik sowie die angespannte Situation auf dem Mitarbeitermarkt gefährden hierbei den Erfolg der Kommunen. Vor diesem Hintergrund setzt der Großteil der Befragten schon heute unterschiedliche Dienstleister ein, was unter Kosten- und Qualitätsaspekten ebenfalls Schwierigkeiten mit sich bringt. Daher sollten Kommunen, die noch keine leistungsfähige Organisation für den Breitbandausbau besitzen, direkt auf leistungsfähige Generalunternehmer wie bspw. Energieversorgungsunternehmen zugehen. Hierdurch lassen sich die o. g. Risiken von vornherein ausschalten. Gleichzeitig reduziert sich für die Kommunen die Komplexität in der Abwicklung, indem auf das Wissen und die Effizienz eines leistungsfähigen Generalunternehmers zurückgegriffen wird.

 

 

Zum Autor

 

Dr. Matthias Rinschede ist Dozent an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management und Partner der Consulting Cubes GmbH. Die Berater der Consulting Cubes GmbH unterstützen ihre Kunden bei der Etablierung neuer Technologien, Prozesse und Strukturen in den Branchen Telekommunikation und Utility sowie in anderen infrastrukturintensiven Bereichen.


 
 
Auf Ihrem System scheint kein FlashPlayer installiert zu sein oder es ist
ein Update des Players notwendig. Sie können den Player hier herunterladen: